Zum letzten Mal und dann bei eisigem Frost

Dass der Nachtwächter bei Wind und Wetter seinen Dienst verrichten musste, ist wohl jedem bekannt, stand so in seiner „Dienstanweisung“ und so durfte auch Hillrich Köster bei seiner letzten „Romantiktour“ als Jemgumer Nachtwächter die gut 40 Gäste am Sonnabend, 17. März, durch das fröstelnde Jemgum führen. Die knappen Minusgrade waren nicht so schlimm, aber der stürmisch-frostige Wind ließ die Tour doch unplanmäßig starten.

Mit Feuertonnen und leuchtenden Fackeln dekoriert, lädt der Heimat- und Kulturverein Jemgum seit zehn Jahren zur historischen Zeitreise durch das schlafende Jemgum ein, jedoch in diesem Jahr blieb die romantische Befeuerung des Sielhuses aus Sicherheitsgründen aus. Schnee, Regen und Kälte sind im März nichts ungewohntes, aber ein eisiger, stürmischer Wind verlegte auch den Romantiktour-Start ins Innere des Sielhuses, wo eine musikalische Abordnung der „Jemgumer Nordseekrabben“ den kulturell-historischen Abend mit „Mien Vaderhuus“ und „Mien Heimatdörp“ klangvoll eröffneten. Auch das „Regulativ“ für den Nachtwächterdienst zu Jemgum, den Arbeitsvertrag oder auch die Dienstanweisung für die Jemgumer Nachtwächter von 1875, wurde durch Holger Kaput im Sielhus den interessierten Gästen vorgetragen. Nun konnte die Tour durch Jemgum endlich beginnen.

Dick „eingepackt“, mit Schals, Mützen und Handschuhen geschützt, ging es unter Führung von Hillrich Köster und der Begleitung einiger Mitglieder der Gruppe „Eenfach Lüh un Handwarkers“ durch das abendlich eiskalte Jemgum. Vor der Mühle wartete bereits die historische Tanzgruppe „Galliarde“ und begrüßte die Tour-Gäste mit lockeren, mittelalterlichen Tänzen. Da kam es einigen recht, dass sie mit der Gruppe mittanzen durften und sich so etwas erwärmen konnten. Dann ging der nächtliche Spaziergang durch Jemgum weiter. An markanten Punkten hielt der Nachtwächter an, um aus der Jemgumer Geschichte Wissenswertes mitzuteilen.

So erfuhren die Gäste, dass das alte Jemgum mit vielen Händlern und Handwerkern aufwarten konnte. Allein vier Schlachter, damals wurde die Hausschlachtung aktiv ausgeübt, standen den Jemgumer Bürgern mit ihrer tatkräftigen Hilfe zur Seite. Auch die ehemaligen Ziegeleibetriebe trugen zur zahlreichen Beschäftigung bei. Heute zeugen noch die Villen „Reins“ und „Koopmann“ vom damaligen Wohlstand. Nach einigen Zwischenstopps erreichte die Romantiktour-Gruppe die Jemgumer Kirche.

Hier begrüßte die Organistin, Christina Schwimmer, die nächtlichen Besucher mit drei musikalischen Orgelstücken. Hillrich Köster erzählte ein wenig über die bewegte Geschichte der Kirche, so auch über die zwei Brände, die die Kirche fast komplett beschädigten. In der Nacht vom 11. auf den 12. Mai 2004 brannte die Kirche zum zweiten Mal ab, das Walmdach und die Decke stürzten ein und zerstörten die Orgel und die Orgelempore komplett. Das mobile Inventar, wie Abendmahltisch, Liedertafeln, Bänke und Innentüren sowie die Lampen und die Gedenktafel mit den Namen der Gefallenen aus dem Krieg 1870/71 waren wegen einer bevorstehenden Renovierung zum Glück ausgelagert und wurden deshalb durch den Brand nicht in Mitleidenschaft gezogen.

Willi Eenboom erklärte, dass die heutige Orgel 1844 von Joseph William Walker gebaut und 2007 von der niederländischen Orgelwerkstatt Feenstra restauriert und rekonstruiert wurde. Nach der Fertigstellung dieser umfangreichen Arbeiten fand sie ihren heutigen Platz in der Jemgumer Kirche.

Der weitere Tourenweg führte wieder in die Kälte hinaus zur alten Roggenmühle, wo der Musiker Bernd Schmaler mit seiner Gitarre schon auf die Tourgäste wartete. Mit einigen plattdeutschen Liedern trug er zum aktiven Ausklang der „Romantiktour“ bei. Der gemütliche Ausklang fand hingegen wieder im wohl geheizten Sielhus statt, wo Klara Kaput mit den beiden „Mägden“ Christa Reske und Christa Bronn die Gäste mit einer heißen Suppe und leckerem, wärmenden Punsch bewirtete.

Nach zehn erfolgreichen Jahren geht nun unser beliebter Nachtwächter Hillrich Köster in den wohlverdienten Ruhestand. Er war Jahr für Jahr Garant für eine informative, kurzweilige „Romantiktour“ durch das nächtliche Jemgum. Keine Tour war wie die des Vorjahres und so variierte er die Tourroute. Wir, die Mitglieder und der Vorstand des Heimat- und Kulturvereins Jemgum danken unserem lieben Mitglied Hillrich Köster für seine jahrelange aktive Unterstützung und wünschen ihm weiterhin viel Glück und vor allem Gesundheit.